Tegersche nennen die Einheimischen unseren neuen Wohnort Degersheim. Wir möchten noch mehr über diese Gegend und die Menschen in Erfahrung bringen. Sowieso kommt es mir vor, als würden wir die Schweiz mit leicht anderen Augen betrachten, fast so wie wenn wir jeweils in ein anderes Land reisten.
Interessant dabei ist, dass wir mit diesem etwas erweiterten Blickwinkel auch andere Dinge wahrnehmen. Beispielsweise ist da die farbenfrohe Menschenansammlung vor der Mehrzweckhalle. Es stellt sich heraus, dass es sich bei den dunkelhäutigen festlich gekleideten Menschen um Tamilen handelt, die gemeinsam ein hohes Fest feiern. Eindrücklich waren auch die sonderbaren Musikinstrumente, die einen harmonischen Klang hervorbrachten. Wahrscheinlich dachten sie dasselbe, als sie zum ersten Mal Schweizer mit einem Alphorn sahen. Wie fühlen sich diese Menschen wohl in der Schweiz? Auch so fremd, wie wir uns manchmal fühlten in Asien? Vor unserer Reise hätte ich mir bestimmt keine Gedanken über so etwas Nebensächliches gemacht.
Der Weiler Wolfertswil gehört ebenfalls zu Degersheim. Bekannt ist hier vor allem das Kloster Magdenau und das Rotmoos, das tiefstgelegene Hochmoor auf der Alpennordseite. Wolfertswil ist gut mit dem Velo zu erreichen, das erste Stück recht steil und dann immer flacher. Wir besuchten am Sonntag den alljährlich stattfindenden Trödlermarkt. Mara war ein schönes Kochbuch für Kinder ins Auge gestochen. Die zwei Franken waren ihr aber doch zu teuer und sie legte es zurück. Dennoch kamen wir mit der „Kochbuch-Verkäuferin“ ins Gespräch und waren erstaunt über die Offenheit gegenüber uns Neuankömmlingen in diesem kleinen verschlafenen Weiler. Übrigens: dasselbe Kochbuch lag ein paar Tage später vor unserer Haustür – gratis für Mara mit einem lieben Gruss aus Wolfertswil.
Die Männerriege bot um die Ecke ein Spiel an, das wir noch in keinem Land gesehen hatten: der Stiefel-Weitwurf. Mein persönlicher Rekord lag bei 17m.
Spannend war ebenfalls unser Ausflug zum Grillplatz beim Föhrenwäldli, ein schöner Aussichtspunkt oberhalb des Dorfes. Eine Gruppe junger Leute sitzt auf einer Bank in der Nähe und bietet uns frisch gepflückte Pilze an. Sie seien unbedenklich zum Verzehr. Etwas skeptisch war ich schon, zugegeben. Ausserdem sprach er ein östliches Dialekt. Nein, nicht St. Galler-Deutsch, noch weiter östlich. Es stellte sich heraus, dass es Slowakisch ist. Es entwickelte sich ein sehr nettes Gespräch. Wir durften sogar mit einem mitgebrachten Riesen-Fernrohr den Säntis bestaunen. Gelernt habe ich dabei, dass es auch östlich von Österreich nette Leute gibt. Und dass die Slowakei an die Länder Tschechien, Polen, Ungarn, Österreich und die Ukraine grenzt.
In Urnäsch, 30 Minuten von Degersheim mit dem Zug, fand die bekannte Alpabfahrt mit dem Bauernmarkt statt. Den Autokennzeichen nach reisten eine grosse Zahl von Menschen aus der ganzen Schweiz und dem Ausland zu diesem urchigen Volksfest an. Die Strasse gehörte den Kühen, Ziegen und Hirten, die lange Distanzen zurücklegten. Die Stimmung war beschwingt und locker, wie im Prospekt des Appenzeller Tourismusvereins. Sogar die Alphörner fehlten nicht. An den Marktständen gab es allerlei Leckeres und Originelles zu kaufen. Einen Original-Appenzeller-Biber konnte ich mir natürlich nicht verkneifen. Mara machte mit beim traditionellen Schweine-Rennen. Die Wette lautete, welches der 5 Schweine am schnellsten durchs Ziel rennt. Mara's Bauchgefühl hatte wieder einmal recht, es gewann ihre Nummer 2!
Es freut mich besonders, wenn du auch diesen Blog gelesen hast, weil ja die eigentliche Reise bereits vorbei ist. Oder hat sie möglicherweise erst begonnen und sucht nun ihre Fortsetzung?
Thomas